Anneke van Giersbergen+Kill Ferelli+Frames in Reichenbach

Wenn es einen Beweis dafür bedürfte, dass Vorgruppen sehr oft den Genuss eines Konzertbesuchs noch steigern können, dann ist Kill Ferelli der bestmögliche Beweis. Wie hat es der Wirt des Reichenbacher Bergkellers so schön in der Vorstellung der Band nach dem ersten Lied gesagt :“Die kann was die Kleine“. Das ist wahrlich so. Kill Ferelli sind eine Band, aber die charismatische 24 jährige Kelly Kockelkoren zieht mit ihrer wilden Performance natürlich alle Blicke auf sich. Und zwar wirklich alle, nicht nur die männlichen. Bereits beim ersten Lied zog sie einen in ihren Bann. Da die Bands wie eigentlich sehr oft bei Konzerten üblich einfach anfangen müssen, gab es eine kurze Bandvorstellung durch den Wirt des Bergkellers erst nach dem ersten Lied. Das konnte Kill Ferelli natürlich nicht wissen, dass man sogar herzlich begüßt und vorgestellt wird und dann auch noch mit Sekt und Ständchen, denn Kelly hatte auch noch Geburtstag. Aber normal ist in Reichenbach eh nichts. Da wird eine Kneipe zum Rockschuppen, die Tische fliegen auf die Straße damit Platz für die Zuhörer wird und es gibt launige Ansagen durch den Chef des Hauses. Ich war ja eh schon etwas irritiert, wenn man den Tourplan von Anneke van Giersbergen sieht. Hamburg, Nürnberg, Augsburg, Strassburg, Paris, Madrid, Barcelona, Mailand, Wien , Bratislava, Budapest unter anderem und dann taucht da Reichenbach auf. Mein Erstaunen wurde noch größer als ich die Location dann innen gesehen habe. Vergleichsweise viel Platz hatten die 3 Bands (ca. 1 /3 des Raumes) aufgrund der Enge gibt es aber keinerlei Distanz zwischen Publikum und Musikern. Das ist Rock`n`Roll pur , wie man es wirklich in dieser Art wohl kaum mehr erleben kann. Ein absolutes Erlebnis für Publikum und Musiker und die hatten ihre helle Freude an dem Gig. Das war allen 3 Bands deutlich anzumerken. Das Publikum aber genauso und so werden die Konzerte zu einem denkwürdigen und beeindruckenden Erlebnis für alle Beteiligten, die begeistert von einem großartigen Publikum gefeiert wurden.

Der Bergkeller, Uwe Treitingers Wohnzimmer, hat sich in all den Jahren zum Kultsaal für Prog und Artrock gewandelt. Man muss da einfach mal spielen als Band und dieser schon legendäre Ruf wird von Konzert zu Konzert noch größer. Gerade, wenn es gelingt solche tollen Acts nach Reichenbach zu holen. Hut ab dafür und so werden sicher auch in Zukunft weiterhin die Nightliner vor der Kneipe stehen und sich absolute Topstars aufmachen um das ganz spezielle Feeling Reichenbachs erleben zu können.

Aber zurück zu Kill Ferelli und Kelly Kockelkoren. Wenn man die Musik beschreiben will fallen einen Namen ein wie Evanescence, Melissa Etheridge, Courtney Love oder die Schauspielerin und Sängerin Juliette Lewis. Als Einflüsse gibt die Band selbst die Foo Fighters, Paramore und Jimmy Eat World an, es ist aber mäßig irgendwelche Parallelen in der Musik zu suchen. Viel lieber sollte man sich live selbt ein Bild machen. Und das kann ich jeden nur ans Herz legen. Entweder mit Hilfe der CD A Modern Scenery die vor kurzem erschienen ist, oder noch besser irgendwo live denn einen großen Makel hat die CD schon. Man sieht die Sängerin nicht und das ist wirklich ein ganz besonderer Genuß. Da verwandelt sich das nette Mädel aus Holland auf der Bühne zur Rampensau und gibt Gas ohne Ende und ich hab noch nie jemand gesehen der den Mund so weit aufbringt. Wie wenn sie ihr Publikum verschlingen will und das schafft sie im übertragenen Sinne wirklich. Ein sensationeller Auftritt der den Bergkeller sofort zum Kochen brachte. Der perfekte Support , viel zu kurz eigentlich. Aber vielleicht gibt es ja (hoffentlich) bald ein Wiedersehen in Reichenbach bei einem Solokonzert. Hören wird man von Kill Ferelli sicher noch viel. Und ich wäre am liebsten gleich am nächsten Tag nach Nürnberg gefahren, so beeindruckt war ich von dem denkwürdigen Abend. Aber 4 Konzerte in Folge sind dann vielleicht doch etwas viel, auch wenn es schwer fällt.

Nach den Holländern gab es mit Frames aus Hannover eine der deutschen Progrock Hoffnungen live on Stage. Für mich in zweierlei Hinsicht eine echte Premiere. Nicht nur, dass ich die Band nicht kannte und Progrock nicht gerade die Musik ist, die ich liebe, ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt reine Instrumentalmusik live gehört habe. Denn die 4 Jungs bauen ohne Stimmen ein musikalisches Gebirge auf an diesem Abend. Ein echtes Kopfkino, mal fragil und filigran, dann wieder heftig und dynamisch. Nie langweilig und auch wenn das absolut nicht meine Art von Musik ist, war es wirklich einmal schön anzuhören. Und der perfekte Gegensatz zu Kill Ferelli , ideal auch um etwas runterzukommen, bevor Anneke van Giersbergen den Saal völlig zum überkochen brachte.

Bevor sie loslegen konnte gab es von Uwe aber wieder einiges Wissenswertes zu hören, z.B. das die Türken die besten Schlagzeugbecken bauen. Dann gings aber los mit eine der Stimmen Hollands, Anneke van Giersbergen. Die 1973 in Sint-Michielsgestel geborene Gitarristin und Sängerin war lange Jahre Sängerin der Prog-Rock-Band The Gathering. Vielleicht sogar besser gesagt, sie war „the Gathering“. Nach Ihrem Ausstieg 2007 verfolgte sie unter dem Bandnamen Aqua de Annique eigene musikalische Interessen, weg vom klassischen Prog-Rock hin zum etwas ruhigererem und balladenorientierterem Pop-Rock. 2012 ist sie nun mit Everything is Changing ihrem neuem Album unter eigenem Namen unterwegs und so bildeten die Songs des Albums auch den Schwerpunkt des Programms in Reichenbach. Es ist ihr viertes Album und nach einem akustischem, einem Pop und einer Live-CD hat Everything is Changing von allem etwas. Vor allem rockt die Musik aber gnadenlos und live gleich noch viel mehr. Unglaublich, was die übers ganze Gesicht strahlende Holländerin an diesem so denkwürdigen Abend an Energie Spaß und Freude versprüht. Weder der wie sie so schön sagt „spezielle Club“ noch die extreme Nähe zum Publikum stören sie, im Gegenteil. Man merkt ihr in jeder Minute den Spaß am Tun an wie allen Musikern der Auftritt macht. Der „Wohlfühl-Indie-Rock, wie es der Zillo im April bezeichnete fetzt ohne Ende, Anneke gibt bis zum letzten Ton alles, ein Energiebündel mit Zauberstimme (Zillo) , unterstützt von einer furios aufspielenden Band mit Ehemann Rob am Schlagzeug. Und die Augen strahlen pausenlos, sie lacht übers ganze Gesicht und freut sich mit ihrem Publikum über diesen unvergesslichen Abend, so strahlend dass man es kaum schafft den Blick überhaupt mal von ihr zu lösen.

Deshalb gibt es auch schon während des Konzertes Geschenke. Einer völlig verdutzten Dame drückt sie ein Plektron in die Hand, zwei Mädels werden mit Trommelstücken und alle Besucher mit einem grandiosen Auftritt beschenkt. Ein Star ohne Starallüren, jemand der für die Bühne geboren ist und es perfekt versteht mit dem Publikum zu interagieren, charsimatisch, sympathisch und grandios. Und jeder wünscht sich noch ganz viel mehr davon, doch irgendwann ist leider auch in Reichenbach Schluss. Aber noch lange nicht mit der Tour, also unbedingt Tourtermine checken, für alle die Rock mögen ist das ein Pflichttermin. Und die Herren am Mikrofon können sich bei soviel Frauenpower wie es an diesem Abend bei Kelly und Anneke zu erleben war echt warm anziehen. Aber sowas von warm , von wegen stärkeres Geschlecht.
In der Fotogalerie und unter www.gruftimusik.de gibts Bilder vom Auftritt
Bernd Sonntag