Crana Historica 3 – 2012 Teil 2

Nach dem rauschenden Musikfest am Samstag ging das Festival Crana Historica am Sonntag und Montag genauso spektakulär und beeindruckend weiter. An allen Ecken und in jedem Winkel der Burg gab es etwas zu sehen. Ritter in ihren aufpolierten Rüstungen, bildhübsche Frauen in wunderschöen mittelalterlichen Gewändern, Handwerker aller Art die mit zum Teil selbstgebauten mittelalterlichen Werkzeugen Waren herstellten und zum Kauf anboten, Waschweiber, Bauersfolk, Gaukler und Musiker die das Publikum unterhielten und zum Lachen brachten, stolze Musketiere und Vertreter der Kirche um nur einige zu nennen. Es war eine Menge geboten an diesem Wochenende.
Drachenmond, Hettorony Hangaszok, Vogelfrei und der Sänger der Band Ingrimm mit Freundin sorgten für die musikalische Unterhaltung. Für kleine und große Kinder gab es Märchen mit Vogelfrei und das Stabpuppentheater Papplstück, es gab orientalische Tänze mit Varisha und Barocktänze mit Les Amis de la Danse zu sehen, die Baieruther Katzbalgerey führte eine Medicusshow auf, Whiskey konnte verkostet werden, es gab einen Fechtwettbewerb für Gruppen, man konnte sich als Wilhelm Tell beweisen in einer von nur 2 Armbrustschießanlagen Deutschlands, man konnte gar nicht überall sein um wirklich jeden Programmpunkt erleben zu kommen. Soviel war los. Besonders spektakulär, und auch noch eine Premiere war die Feuershow des Würzburger Greifenpack, die auch um 22.30 Uhr am Freitag und Samstag noch viele Leute anlockten. Die Würzburger verstehen es aber nicht nur meisterhaft mit dem Feuer umzugehen, auch als Schaukampftruppe boten sie den begeisterten Zuschauern einen kurzweiligen und sehenswerten Auftritt, wobei der eine oder andere Akteur auch was Mimik und Gestik betrifft ein Sonderlob verdient. Trainiert wird für diese Schauküämpfe übrigens nur einmal pro Woche und es gibt eher selten noch mal ein Sondertraining. Da die Truppe, bestehend aus insgesamt 23 Mitgliedern, im Sommer beinahe jedes Wochenende bei einem anderen Fest ist, ist auch nicht jeder immer da bzw. bei den Festen dabei. Das heißt, dass nicht immer die gleiche Besetzung bei den Kämpfen auftritt, sondern die Abläufe unter allen Mitgliedern exakt stimmen müssen. Umso überraschender ist es, dass sich noch niemand ernsthaft dabei verletzt hat, abgesehen von einigen starken Prellungen und Schürfwunden. Aber die Jungs und Mädels sind hart im Nehmen und sie legen wirklich eine gelungene Performance hin. Der Auftritt ist sehr gut durchdacht und in eine Geschichte eingebunden, damit das Publikum den Hintergrund des Kampfes nachvollziehen kann. Sie haben wirklich Talent und so ist es ihnen zu wünschen, dass sie nicht nur in Deutschland sondern auch im restlichen Europa, sowohl mit dem Schaukampf als auch mit der spektakulären Feuershow, ihr Können zeigen dürfen. Mit Italien möchten sie nächstes Jahr beginnen.
Auch der Sonneberger Ritterbund führte einen Schaukampf vor. Beides war die Einstimmung auf die Schlachtdarstellung der Ritter am Sonntag an der so ziemlich alle Lagergruppen beteiligt waren. Ebenso wie die Schlachtdarstellung im 30- jährigen Krieg, als die Schweden versuchten die Festung Rosenberg gegen die tapfer verteidigten Kronacher einzunehmen ein absoluter Besuchermagnet und äußerst sehenswert.
Die Nürnberger Stadtwache e.V. sind ein weiteres Beispiel für eine bayerische Reenactment- Gruppe. Der Name führt allerdings etwas in die Irre, da nicht alle 25 Mitglieder aus Nürnberg stammen. Die Herkunft erstreckt sich von der Oberpfalz bis nach München, nur der Sitz des Vereins ist in Nürnberg. Wie beim Wüzburger Greifenpack ist es auch hier sehr schwer ist alle Teilnehmer zu einer Jahreshauptversammlung zusammen zu trommeln. Die Gruppe verkörpert die „bösen“ Franzosen aus dem 17. Jahrhundert, die, wie wir wissen, vergeblich versuchen die Festung Rosenberg einzunehmen. Um alles so real wie möglich zu gestalten, versuchen sie sowohl ihr Lager, wie auch die Klamotten bis hin zur mittelalterlichen Brille originalgetreu nachzustellen. Das schwierigste daran ist, wie wir uns sagen ließen, die Brille. Die Kurzsichtigen im Mittelalter hatten ein echtes Problem, da es eine reine Geldfrage war, wer sich eine leisten konnte und wer nicht. Für die Gefechtsnachstellung wird die Brille dann von modern in mittelalterlich getauscht, allerdings mit dem Nachteil, dass diese Brille nicht die richtige Stärke hat kein Wunder, dass sie nicht treffen (Anmerkung der Redaktion). Doch es sind nicht nur die Gefechtsnachstellungen, die diese Gruppen an so einem Wochenende darstellen müssen, sie müssen sich auch den neugierigen und oft dreisten Fragen und Annäherungsversuchen der vielen Besucher stellen. So kommt es auch ab und zu vor, dass sich einer der Zuschauer in ein gemüötlich aussehendes Mittelalterbett der Schausteller legt oder plätzlich mitten in einem der Zelte steht. Das sind natürlich Ausnahmen, denn die meisten haben, wie wir auch, viele Fragen rund um das Lagerleben und dazu geben alle Beteiligten gerne und ausführlich Auskunft – eben Mittelalter zum Anfassen. Und auch wenn die Geschichten, die sie erzählen oft sehr aufregend klingen ist es teilweise schwierig dieses Hobby in den Alltag zu integrieren. So muss in einer Partnerschaft große Toleranz oder Einigkeit herrschen, damit man fast jedes Wochenende auf einem anderen Markt dabei sein kann und auch nicht jedes Kind ist das geborene „Lagerkind“, dem es nichts ausmacht bei jedem Wetter in einem Zelt zu schlafen. Doch am Ende sieht der Besucher eine perfekte Gefechtsnachstellung, ein gemütliches Lagerleben und eine Menge netter Leute, die sichtlich Spaß haben bei dem was sie tun.
Ein Ohrenschutz war bei der Artelleriebeobachtung sicher kein Fehler. Hier wurden von 3 Lagergruppen, die oft in mühevoller Arbeit selbst hergestellten historischen Waffen vorgeführt und so krachte und rauchte es auch kräftig. Sehr zu Freude des Publikums. Natürlich wurde ohne Kugeln geschossen, die benachbarten Gefängnisinsassen hätten sich über mittelalterliche Gewehrkugelsalven sicher auch nicht wirklich gefreut.
Ein absolutes Highlight ist auch jedes Jahr das Kanonenschießen . Auch hier natürlich nur mit Pulver ohne Kugel. Denn sonst wären Haindling, der für das Konzert am Montag mit dem Soundcheck beschäftigt war, die Kanonenkugeln nur so um die Ohren geflogen. Krachen tut es trotzdem noch genug und auch der Rückstoß der Kanonen ist so schon nicht ohne. Vor allem die goldene dicke „Pauline“ machte immer richtige Sätze beim Abschuss. Auch die 2 Mörser knallten nicht nur kräftig, die Rauchsäulen stiegen sogar meterhoch in die Luft. So musste der Soundcheck bis nach dem Kanonenschießen unterbrochen werden. Und als die Kanonen geduldig und fast liebevoll nach dem letzten Schießen wieder gereinigt wurden und viele Besucher eine letzte Runde über den Platz drehen, nochmals die zahlreichen Händler aufsuchten um eine Erinnerung mit nach Hause zu nehmen, da hatten ein Teil der Lagergruppen bereits die Zelte abgebaut und alles für den Transport verstaut. Mussten viel doch am nächsten Tag wieder arbeiten. Der Weg zurück in den Alltag fiel uns Fotografen am nächsten Tag ja schon nicht leicht, um wie viel schwerer mag es dann erst für die ganzen Reenactment-Gruppen sein. Reenactment (Nachstellung, Wiederaufführung) haben sich wohl alle der Beteiligten in Kronach auf die Fahne geschrieben. Sei es die Organisation, die bewusst darauf achtete, dass alles möglichst authentisch sei, wie auch die ganzen Lagergruppen die sich unglaublich viel Mühe damit machen in der Geschichte zu forschen um möglichst realistisch zu sein. Besonders hervorzuheben ist dabei die ungarische Lagertruppe „Mare Temporis“ aus Budapest. Sie haben den weiten Weg nach Kronach angetreten damit ihr Ingenieur Valentino mit originalgetreuen Messinstrumenten (Nachbauten von original Museumsstücken, die von Kupfergießern handgemacht wurden) und selbst gekochter Tinte einen maßstabsgetreuen Grundriss der gesamten Burg inklusive Wallgraben anfertigen konnte. Doch das Ganze tat er natürlich nicht ohne Grund. Dazu erzählte uns der ungarische Dolmetscher eine Hintergrundgeschichte: „Die Gruppe selbst stellen Dragoner aus Frankreich, angesiedelt im 17. Jahrhundert dar, die auf Befehl des Kaisers, der eine Bitte des Bamberger Bischofs erhalten hat, die Festung Rosenberg vermessen sollen.“ Soweit der geschichtliche Hintergrund. Die Verbindung zu Kronach entstand in Budapest, als sie dort mit einer Gruppe aus Kronach in Verbindung traten. So ist „Mare Temporis“ in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland und sie hatten sichtlich Spaß. Die Mittelalterszene in Ungarn beschreibt vorrangig das 15. Jahrhundert vor der Türkenzeit, da dort vor allem der Türkenkrieg nachgestellt wird. Allerdings unterscheiden sich die dortigen Festivals dahingehend von Crana Historica, dass es keine Mischung aus Mittelalter und moderner Mittelaltermusik gibt, sondern der Schwerpunkt auf historischer Hofmusik liegt.. Und so ist Crana Historica Geschichte zum Anfassen und besser als jeder Geschichtsunterricht in Deutschland. Hätte man mich als Schüler nur einmal mit auf so eine Veranstaltung genommen, meine Leidenschaft für Geschichte wäre wesentlich stärker und leidenschaftlicher geweckt worden als mit einem Geschichtsunterricht und nackten Zahlen und Sprüchen wie z.B. 333, bei Issos Keilerei.
Eines sollte man übrigens auch noch erwähnen, selbstverständlich sind die Reenactors, wie man die Personen die sich mit der Nachstellung in dieser Szene umgangssprachlich nennt ohne jeglichen kommerziellen Hintergrund. Im Gegenteil, auch das haben unsere kleinen Interviews gezeigt. Unterstützung vom Arbeitgeber gibt es keine und oft gehen nicht nur die ganzen Urlaubstage drauf, auch eine Menge Geld verschlingt die Leidenschaft Mittelalter zu leben und greifbar zu machen.
Und da ja nach dem Fest auch immer vor den Fest ist, so haben die Organisatoren nicht nur zufrieden Bilanz gezogen, sondern auch schon einen ersten Blick auf 2014 gewagt. Musikalisch sei man auf dem besten Wege wieder einen herausragenden Headliner zu verpflichten und auch finanziell hat das Festival 2012 kein so großes Loch gerissen, dass man nicht für Crana Historica 4 planen kann. Und wenn dann am Ende sogar ein Plus stehen bleibt, dann werden sich vor allem die beteiligten Gruppen freuen, die mit einem Obulus bedacht werden. Denn auch da ist Kronach was ganz besonderes, dem Verein selbst bringt das Event nichts. Viele Organisatoren opfern bis zu 2 Wochen Urlaub um das Ganze auch stemmen zu kännen. Und das hat man auch beim dritten Mal bravourös getan. Die Stadt Kronach tut gut daran, Crana Historica mit aller Kraft zu unterstützen. Einen besseren Werbepartner wird man nicht finden und wenn alles so problemlos wie am Wochenende abläuft, ohne einen einzigen Polizeieinsatz sowie ohne Unfälle und Schäden dann ist Crana Historica auch ein toller Beleg dafür, dass es die Oberfranken und ihre aus ganz Deutschland angereisten Gäste perfekt verstehen 3 Tage eine Mittelalterparty zu feiern ohne über die Stränge zu schlagen. Etwas, das heutzutage ja leider scheinbar kaum mehr möglich ist.
Vielen Dank an die netten Menschen, die sich die Zeit nahmen uns für jarwinbenadar.de und gruftimusik.de etwas tiefere Einblicke in das Lagerleben zu geben und natürlich besonders Jürgen Jakob und sein fantastisches Orgateam. Über 800 Personen wirbelten vor und hinter den Kulissen für das ganz große Kino am Wochendende.
Carolin Hirschberger , Bernd Sonntag