Seit mehr als einem Vierteljahrhundert treiben Corvus Corax nun schon ihr Unwesen in der hiesigen Mittelalterszene und haben diese von jeher durch ihren schier unerschöpflichen Ideenreichtum mitgeprägt wie kaum eine andere Band. Nun melden sich die Könige der Spielleute wieder einmal mit etwas gänzlich Neuem zur+ck. Am 28. Juli erscheint ihr erstes Fantastical „Der Fluch des Drachen“, welches in Zusammenarbeit mit der deutschen Fantasy-Literatengröße Markus Heitz entstand. Fantastical, was soll das sein, mag sich nun manch einer fragen. Und die Frage ist auch durchaus berechtigt, handelt es sich doch um ein ganz neues Genre, welches mit dem 3CD-Set „Der Fluch des Drachen“ seine Premiere feiert. Ein Genre, bei dem – der Name lässt es schon erahnen – Musical und Fantasy eine Symbiose eingehen.
„Der Fluch des Drachen“ erzählt die Geschichte von Adamas dem Schmied, der eigentlich durchaus zufrieden damit wäre, einfach nur friedlich seinem Handwerk nachzugehen – wäre da bloß nicht seine Andersartigkeit, die ihn zeitlebens immer wieder zum Ausgestoßenen macht und ihm wie ein Fluch erscheint. Doch sein Schicksal ändert sich auf einen Schlag, als er den seltsamen Fremden Shigeru vor einer Bande Räuber rettet. Plötzlich steckt er mittendrin in einem Abenteuer, bei dem er über sich hinauswachsen muss. Sein Weg führt ihn gegen schreckliche Feinde, lässt ihn jedoch auch faszinierende neue Bekanntschaften machen, die ihn auf seinem Weg begleiten und sein Leben nachhaltig verändern werden. Eine richtig klassische Fantasy-Geschichte also.
Erzählt wird Adamas‘ Geschichte von Johannes Steck, dessen Stimme Fans deutscher Fantasy-Hörbücher nicht unbekannt sein dürfte, hat er sie doch bereits in der Vergangenheit Büchern von Markus Heitz oder Michael Peinkofer geliehen. Lebhaft und facettenreich führt er die Zuhörer in „Der Fluch des Drachen“ durch die Handlung, sodass das Zuhören stets spannend bleibt.
Doch das Ganze wäre natürlich kein Fantastical sondern nur ein Hörbuch, wäre da nicht auch noch die Musik. Immer wieder wird der Erzählfluss nämlich für einzelne Musikstücke unterbrochen, welche die Geschichte für einige Minuten weitererzählen. Jedem der tragenden Charaktere der Story ist dabei ein eigener Sänger zugeordnet, und die Stimmen und Stile sind dabei so vielseitig wie die vorkommenden Personen. Der geneigte Mittelalterfan wird dabei auch so manche Stimme wiedererkennen. So leihen neben den Spielleuten von Corvus Corax auch Alea von Saltatio Mortis, Holly Loose von der Letzten Instanz oder auch Katja Moslehner, ehemals Sängerin bei Faun, jeweils einem Charakter ihre Stimme. Die Musikstücke passen dabei stets von der Stimmung und von ihrer Art zu den Personen, die sie repräsentieren. Entsprechend unterschiedlich sind die Stile: neben traditionell mittelalterlichen Klängen, wie man sie von Corvus Corax kennt, gibt es da beispielsweise das St+ck „Wild und frei“ mit dem Gesang von Ji-In Cho von And Then She Came und Krypteria in der Rolle der Hexe Runa. Herrlich verspielt und lebensfroh kommt es daher und unterstreicht so ganz wunderbar den neugierigen, positiven Charakter dieser Figur. Eindeutig fernöstlich beeinflusst ist hingegen der Gesangspart von Alea dem Bescheidenen, der in „Gesegnet und hoch geachtet“ den mysteriösen Shigeru aus dem Land jenseits der Morgenröte darstellt. Das „Lied der Liebe“ – ein Paradebeispiel für eine Musical-Ballade – begegnet einem im Verlauf des Fantasticals sogar mehrmals und ist dabei passend zur Entwicklung der Geschichte in steter Veränderung: Die Musik ist in „Der Fluch des Drachen“ eben nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern setzt immer auch die Erzählung mit fort.
Corvus Corax und Markus Heitz ist mit ihrem fantastischen Musical ein wirklich spannendes Release gelungen, das Fans der Mittelalterszene und Freunde phantastischer Literatur gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen vermag. Auf zwei CDs folgt man als Hörer einer Geschichte, die alles enthält, was eine solide Fantasy-Geschichte eben ausmacht: ein Held, eine abenteuerliche Reise, eine große Gefahr, die es zu überwinden gibt – und natürlich auch eine schöne Prise Liebe. Die epische Breite, in der Fantasyliteratur häufig erzählt wird, fällt in diesem recht engen Rahmen natürlich weg. Landschaften oder das Aussehen der Personen bleiben beim Hören weitestgehend der eigenen Fantasie überlassen. Dafür wird die Geschichte in schier atemberaubenden Tempo vorangetrieben. Durch den großartigen Erzähler und die vielen illustren musikalischen Gäste verspürt man beim Hören zu keiner Zeit das Bedürfnis, eine Pause einlegen zu müssen. Die Spannung bleibt vom ersten bis zum letzten Moment an hoch und man möchte die ganze Zeit wissen, wie es weitergeht. Und wem dann der Sinn doch mal mehr nach Musik als nach einer Geschichte steht, für den liegt dem CD-Set mit der dritten CD auch noch eine reine Sammlung der Musikstücke bei. Das ist eine nette Ergänzung, sollte jedoch niemanden davon abhalten, sich unbedingt auch das ganze Fantastical anzuhören, entfalten die Lieder doch eindeutig in diesem Rahmen ihre größte Wirkung.
Im Winter werden Corvus Corax ihr Fantastical dann schließlich auch live auf den Bühnen des Landes präsentieren. Man darf gespannt sein!
Victoria Eckwerth