Blutengel Interview zur Monument Tour am 11.03.2013

Vor dem Konzert in Nürnberg hatte ich Gelegenheit, mich mit Chris Pohl und Ulrike Goldmann von Blutengel zu unterhalten. Ich traf auf 2 tiefenentspannte Musiker , die sich sichtbar auf den Konzertabend in Nürnberg freuten. Geduldig beantworteten sie meine Fragen, dafür auch auf diesem Wege nochmals vielen Dank. Bevor es los geht noch ein Hinweis zur Tour. Wie nicht anders zu erwarten ist die Show wieder großes Kino und die neue CD mehr als hörenswert. Entsprechend groß ist auch die Nachfrage nach Tickets und fast jedes Konzert der bisherigen Tour ist ausverkauft. Also unbedingt die Karten schnell ordern, es lohnt sich.
Nun aber Feuer frei, los gehts mit dem Blutengel-Interview.

Eure neue CD kam jetzt raus und landete gleich auf Platz 4 in der ersten Woche. Ward ihr völlig von den Socken?

Chris: Ja, auf jeden Fall! Man hofft es natürlich immer, unser letztes Album landete ja auf Platz 12 und man hofft dann immer, dass man sich verbessert. Vielleicht ist ja Top10 drin. Als dann der Anruf von meinem Label kam, dass wir auf Platz 4 sind, sagte ich so, auf welchem Platz sind wir denn wirklich? Es war schon irgendwie krass. Es war irgendwie ganz unwirklich. Selbst das Label hatte damit nicht gerechnet. Obwohl man die Charts nicht überbewerten sollte, man muss ja heutzutage gar nicht mehr so viel verkaufen um vorne zu sein, aber es war schon sehr überwältigend. Es hat uns auch etwas stolz gemacht, dass wir das alles ohne große Promotion, also ohne Fernsehwerbung oder Presse geschafft haben. Sondern wir haben das wirklich nur den Fans zu verdanken, die gesagt haben da kommt ein neues Album und wir kaufen das. Ohne dass man diese Mediale Aufmerksamkeit hatte. Und scheinbar trotzdem haben alle Fans in der ersten Woche die CD gekauft, wir sind da echt sehr dankbar, das war schon Hammer.

Es gibt in letzter Zeit immer wieder Bands die mit Produktionsteams arbeiten, um dann gezielt auf die Charts zu zielen z.B. Faun mit Valicon. Das war für euch aber nie ein Thema. Ihr wollt natürlich auch Euere Musik verkaufen, aber habt Euch nie für den Erfolg verbogen. Es gab aber bestimmt auch bei Euch Anfragen, gerade jetzt natürlich wieder?

Chris: Es ist immer so. Wir hatten schon viele Verhandlungen usw.. Natürlich waren da die Bedingungen, wenn sie das machen wollen, sie auch in bestimmten Maße mit eingreifen wollen. Aber ich mach das ja jetzt doch schon etwas länger und ich konnte mich nie mit dem Gedanken anfreunden, dass da irgendjemand so wirklich viel verändert. Wir hatten ja unsere neue Platte mit Henning Verlage von Unheilig gemacht. Aber ich kenn ihn natürlich auch schon viel länger, wir sind ja zusammen auch schon auf Tour gewesen und für ihn und uns war klar was wir machen wollen. Wir wollten das machen was ich bisher gemacht habe, nur etwas schicker. Er hat zwar hier und da Ideen eingebracht aber er hat nicht versucht irgendetwas zu verändern, wie es bei einen Majorvertrag ja oft passiert. So ein Produzententeam anzuheuern um noch einen Schritt weiter zu gehen, käme für mich nicht in Frage. Dafür mach ich es schon zu lange, dafür läuft es ok und ich mag mich echt nicht verbiegen. Dafür bin ich zu alt, dafür mach ichs zu lange und wenn es immer so läuft , wie es jetzt läuft dann ist alles in Ordnung

Euer nächstes Album kann man mit dem Oberbegriff Thema Vampire versehen, oder?

Chris: Jein, es geht eher um das Thema „Anderssein“. Wir haben das ja in der letzten CD schon mit dem Song „Anderssein“ angedeutet. Wir haben immer mehr Lust zu zeigen, dass es auch anders geht, also diese Lebenseinstellung, dass man sagt wir machen im musikalischen was wir wollen und jeder Mensch sollte das machen was er möchte, solange er damit keinem weh tut und solange er damit niemand schädigt. Aber dieses individuell sein und keine Angst zu haben nicht in die Masse zu passen, das ist so ein großes Thema. Da rein spielt natürlich auch die Sache mit diesem Vampirthema, hier auf einer anderen Weise als bei der Twilight-Saga, die doch mehr auf das Teenieschema passt. Sondern dass man sagt, Vampire leben anders als normale Menschen. Wir möchten dadurch einfach das Thema „Anderssein“ fixieren.

Das Thema Blut spielt ja nicht nur in eurem Namen eine Rolle, sondern es gibt auch keinen Auftritt bei dem nicht irgendwann Kunstblut verwendet wird.

Chris:Ja, klar. Ich mag dieses Thema. Ich mag gute Vampirfilme, oder generell gruselige Horrorfilme. Ich finde das schön. Mich unterhält einfach ein gut gemachter Vampir- oder Horrorfilm und auf der Bühne möchte ich ja auch unterhalten und meine Sicht der Dinge den Menschen zeigen und da fliest eben mal Kunstblut. Das möchte ich aber auch so rüber bringen.

Du hast ja nicht nur Blutengel sondern auch Terminal Choice und Miss Construction. Jetzt habe ich gehört du willst ein Soloprojekt starten? Angst vorm Burn out hast du nicht, oder?

Chris: Ja, da gab es ein paar Überlegungen. Also Angst nicht. Es ist schon viel was ich mache. Das muss ich schon zugeben. Ich arbeite sehr viel, aber auch sehr gerne und solange ich kann möchte ich so viel probieren wie ich schaffe. Klar man wird ja auch älter und freut sich wenn man immer mal ein Wochenende frei hat, aber burn out hab ich nicht und hoffe auch, dass es so schnell nicht passiert.

Gibt’s Blutengel irgendwann auch mal mit einem französischen Song? Wegen deiner Liebe zu Mylene Farmer?

Chris: Wir hatten tatsächlich mal überlegt!
Ulli: Bloß das ist immer schwierig. Ich kann so ein bisschen Schulfranzösisch aber so richtig nicht. Da müsste man jemanden haben der das richtig übersetzt.
Chris: Ich mag die Sprache gern. Aber vielleicht machen wir da mal etwas Kleines, Eingestreutes! Es wäre auf jeden Fall eine Herausforderung.

Warum gibt es zum letztjährigen Blutengel- Highlight „Gothic meets Classic“ noch keine CD? Woran scheitert das?

Chris: Es scheitert gar nicht, es ist einfach noch nicht die Zeit. Wir werden da sicherlich was machen, aber da wir jetzt erst mal mit dem Album beschäftigt waren, haben wir uns darauf konzentriert. Es wird aber in absehbarer Zeit auch da etwas auf Tonträger geben. Das war auch für uns mal was ganz Neues. Man musste ganz anders üben, es war wahnsinnig anstrengend, es war auch schwer sich auf ein 40 Mann Orchester einzustellen und ich war noch nie bei einem Auftritt so aufgeregt. Aber das hat uns auch so neugierig gemacht, dass man auch heute Abend Teile von diesem „Gothic meets Classic“ hören kann.

Was ist bei euch zum 15- jährigen Bandjubiläum geplant? Vielleicht mit Symphonieorchester?

Chris:Vielleicht. Wir haben uns schon Gedanken gemacht. Es wird auf jeden Fall dieses Jahr noch etwas passieren. So viel kann ich sagen, mehr aber auch noch nicht. 15 Jahre ist zwar schon ne lange Zeit. Ich will das aber gar nicht überbewerten sonst denkt man Mensch sind wir alt. Wir machen dieses Jahr auf jeden Fall noch ein paar Sachen, die wir so noch nie gemacht haben.

Ihr habt ja jetzt eine Sängerin verloren und macht die Show jetzt noch zu zweit – das ist schon anstrengender als vorher, oder?

Ulli: Ja es sind natürlich nicht mehr so viele Päuschen wie früher. Da konnte ich wenn meine Kollegin gesungen hat mal hinter die Bühne und was trinken, aber es macht auch Spaß. Wenn du erst mal drin bist und rockst, dann sind die 2 Stunden auch ganz schnell vorbei.

Wie findet ihr den Hirsch hier in Nürnberg als Location für euer Programm und eure Bühnenshow? Hier ist ja immer eine tolle Stimmung.

Chris: Das ist ja gut für uns. Nürnberg finde ich jedes Mal toll. Zwar können wir hier , wegen der kleinen Bühne nicht alles machen , was wir sonst in den Shows zeigen, aber es überrascht mich immer, dass die so mitgehen. Wir haben ja auch bei unserer letzten DVD die wir raus gebracht haben viele Aufnahmen aus Nürnberg genommen, weil die Bilder einfach super waren. Das macht halt auch Spaß auch wenn es nicht 1000 Leute sind, sondern nur 500. Aber wenn du gute Stimmung hast dann ist das mehr wert, als viele Leute ohne Stimmung.

Blutengel am 11.03.2013 in Nürnberg

Joe Bonamassa oder doch lieber Blutengel hat sich vielleicht nicht nur ein Besucher aus Amberg im Vorfeld des Konzertes vom Blutengel im Hirsch gefragt, der sich dann nach langer Überlegung für Blutengel und gegen Bonamassa entschieden hat, der zur gleichen Zeit in der Meistersingerhalle aufspielte. Bereut hat er seine Entscheidung sicher nicht, genauso wenig wie all die anderen Besucher im gutgefüllten Hirsch, die auch in diesem Jahr für die gewohnte Blutengel-Saunatemperatur sorgten. Trotzdem wollte sich Chris trotz lautstarken Ausziehen-Rufen von weiblichen Besucherinnen wieder einmal nicht ausziehen. „The same procedure as every year“ könnte man meinen. Und doch war an diesem Abend vieles anders, ganz anders als man es von Blutengel bisher gewohnt war.

15 Jahre gibt es das Bandprojekt Blutengel nun schon, 15 Jahre waren die Liveauftritte immer großes Kino mit Live-Gesang, die Musik dazu kam jedoch vom Band was beim einen oder anderen Konzertbesucher doch leise Kritik hervorrief.

So schauten die Blutengel Fans diesmal etwas verwundert, als nach dem gelungenen Auftritt der Vorband Melotron, dazu später noch mehr, Schlagzeuger Michael hinter dem Schlagzeugaufbau Platz nahm, Carolines Violine und Katharinas Cello verkabelt wurden und sich hinter dem Piano Konrad einfand. Und spätestens als Chris Pohl, Sänger, kreativer Kopf und Bandchef zusammen mit Ulrike Goldmann die Bühne betrat und die Band die ersten Klänge des Intros Legend erklingen liesen, war auch dem Letzten im Saal klar, heute gilt es Blutengel mit Live-Band ganz neu zu entdecken.

Spätestens seit dem grandiosen Gothic meets Classic Auftritt im letzten Jahr, für das die Band mit Lob geradezu überschüttet wurde, ist bei Chris Pohl der Plan gereift, all den vielen Blutengel-Fans im Lande wenigstens in kleiner Besetzung vorzuführen, welche Pracht die Songs mit Streicherbegleitung live entfalten können. ein mutiger Schritt, der die Faszination Blutengel live erleben noch viel reizvoller macht. Gerade auch, weil es gelungen ist, Musiker zu finden die den Blutengel-Sound von CD perfekt live auf der Bühne umzusetzen verstehen, allen voran Drummer Michael, der sich mit seinen beleuchteten Drumsticks und seiner ungewöhnlichen Drumstickhaltung als echter Glücksgriff erwies.

Einen Ersatz für die Ende 2012 augestiegene Sängerin Anja Milow gibt es nicht, wieso auch, wenn man mit Uli Goldmann eh schon eine großartige Sängerin in der Band hat, deren Stimme nun schon 8 Jahre einfach perfekt zu der von Chris Pohl passt. Und neben den vielen gemeinsam gesungen Songs bleibt auch ihr starker Soloauftritt beim Konzert unterstützt von 2 Tänzerinnen extrem im Gedächtnis haften.

Apropos Tänzerinnen, ein unverzichtbarer Bestandteil einer Blutengel Show, egal ob als Vampire, als Göttin Athena oder als Nonne verkleidet, die Damen sind immer einen oder ganz viele Hingucker wert und setzten die Songs visuell perfekt in Szene und der Live Show die Krone auf. Auch wenn wegen den beengten Bühnenverhältnissen im Hirsch nicht alles, was man gerne hätte zeigen wollen, möglich gewesen war. So musste man leider ohne Feuershow auskommen, doch auch ohne Feuer war es immer noch ein sehenswertes Spektakel was die Blutengel-Crew an diesem Abend ablieferte. Tour auf Tour lässt man sich immer wieder eine komplett neue Show mit neuen Tanzschritten, Choreographien und Outfits einfallen und bis auf das Kunstblut, dass diesmal nicht ganz so reichlich wie im letzten Jahr floss, war auch 2013 vieles eben nicht „The same procedure as every year“. Auch weil man eine neue Tänzerin dabei hatte, für meinen Geschmack sind Nicky, Vicky und Nadine die stärkste Tanzbesetzung der 15 Jährigen Blutengel-Bandhistorie.

Von Null auf Platz 4 der Charts schoss das zur Tour gehörige Album The Monument in der ersten Woche des Erscheinens. Nicht nur die beste Chartsplazierung aller Zeiten für Blutengel, sondern ein eindrucksvoller Beweis, dass man auch ohne großen Major im Rücken, ohne gewaltigen Werbeaufwand, ohne sich kommerziell zu verbiegen und ohne Heavy Rotation im Radio extrem erfolgreich sein kann. Und so besteht die Show natürlich aus vielen Songs des neuen Doppel-Albums wie Willst Du, Save our Souls, You walk away und natürlich Monument als letzten Song des Abends. Selbstverständlich gibt es aber auch genug Platz für ältere Songs, auch wenn die Songauswahl bei einem solch großen Songkatalog der in den 15 Jahren inzwischen entstanden ist, von Jahr zu Jahr immer schwieriger wird. Probleme scheint Chris Pohl damit aber keine zu haben, schafft er doch jedesmal ein homogenes Set aus alt und neu, aus tanzbaren schnellen Nummern und ans Herz gehenden Balladen zusammen zu stellen die wie aus einen Guß wirken, so dass die kapp 2 Std auch nach 3 Zugaben gefühlten 60 Minuten entsprachen und man einfach noch gerne viel mehr gehört hätte.

Blutengel sind ja eigentlich eine Elektroband, trotzdem kommt man inzwischen auch bei einem Song einmal völlig ohne Elektro aus, ungewohnt vielleicht, jedoch musikalisch noch einmal ein riesiger Schritt nach vorne. Chapeu Chris Pohl.

Nürnberg hat sich übrigens einmal mehr als dankbares Blutengel Publikum erwiesen und Chris Pohl weiß auch, was er an seinen „Nürnbergern“ hat. Nicht umsonst hat man beim Tränenherz-Konzertfilm zur letzten Tour den es auf der Nachtbringer CD als Bonus dazu gibt, viele Songs vom Auftritt in Nürnberg ausgewählt und Nürnberg ist für Chris Pohl immer ein Highlight, wie uns ein tiefenentspannter Chris Pohl vor dem Konzert erzählte.

Und so sollte einem baldigen Wiedersehen in Nürnberg nichts im Wege stehen, auch wenn sich der größte Wunsch von Chris Pohl , dass der ganze Saal den Song Monument lautstark mitsingt leider noch nicht erfüllte. Aber vielleicht heißt es im nächsten Jahr dann auch was das Mitsingen anbelangt, eben nicht „The same procedure as every year, Chris“.

Nun noch einige Sätze zum Auftritt von Melotron. Die im Jahr 1995 gegründete Band aus Neubrandenburg ist mit ihrem Synthiepop ein idealer Einheizer an diesem Abend. Und diese Rolle macht den 3 Jungs von Melotron um Snger Andy Krüger sichtbar Spaß. Trotz einem Auftritt beim Bundesvision Song Contest im Jahr 2007 für Meck-Pomm und immerhin bereits 6 regulären Alben ist der Bekanntheitsgrad der „Jungs“ in Deutschland noch ausbaufähig. Und pünktlich zum Tourstart hat man mit „Stuck in the Mirror“ auch einen neuen Song herausgebracht, ein Vorgeschmack auf die kommende CD Werkschau. Wird auch Zeit Vorgänger Propaganda ist bereits im Jahr 2007, also vor 6 Jahren erschienen.

Und dass die Jungs Selbstvertrauen haben sieht man daran, dass man sich doch tatsächlich getraut hat einen Rio Reiser Song zu covern. Menschenfresser klingt zwar nicht mehr wirklich nach Rio Reiser und weit mehr nach Melotron, aber das ist auch gut so. Denn eins braucht sicher niemand, eine Synthiepop-Band die nach Rio Reiser klingt. So macht der Song, genauso wie der Auftritt von Melotron aber durchaus Spaß. Und nach dem Konzert nahm man sich übrigens wie auch die 2 von Blutengel viel Zeit um Autogramme zu schreiben oder Fotowünsche zu erfüllen.

Bernd Sonntag