Als echte Erfolgsstory erweist sich das Tanzt! Festival seit seiner ersten Ausgabe im Jahre 2007 in Rosenheim. Jahr für Jahr kommen mehr Besucher und in diesem Jahr gab es mit über 1100 Gästen im Backstage einen neuen Besucherrekord. Ganz überraschend ist das aber nicht, denn neben einem klasse Line -Up zu einem sensationell fairen Eintrittspreis hat sich wohl längst herumgesprochen, dass Michael Sackermann und seine Helfer mit dem Festival sich auch etwas abheben wollen, von den anderen drum herum. Man will auch einmal nicht so bekannten Bands eine Plattform bieten, Beispiele dafür im diesjährigen Line Up sind die Italiener Furor Gallico und Dalriada mit der Fajkusz Band aus Ungarn, die man allerdings beide auch schon einmal bewundern konnte. Und so können die Zuschauer sich wirklich darauf verlassen, dass es etwas zu entdecken gibt und das Festival ein wahrlich breites musikalisches Spektrum bietet, auch wenn wie jedes Jahr die Liebe zum Metal sich schon im Line Up wiederfindet. Untrennbar ist die Geschichte des Tanzt! auch mit der Band Vroudenspil verbunden, Namensgeber, seit der ersten Ausgabe dabei und immer ein Headliner in ihrem Wohnzimmer. Und so darf man sich schon heute sicher sein, dass das wohl beste Vroudenspil Konzert des Jahres 2015 wieder beim Tanzt! stattfinden wird. Und wenn sich all das was Michael Sackermann so für die Zukunft geplant hat auch realisieren lässt, dürfen sich die Besucher auch in den nächsten Jahren noch auf Besonderes freuen und wie 2014 auch im Jahre 2015 auf ein Festival, das in jedem Festivalplan stehen muss.
Narrator
Nun aber zum Tanzt! 2014 und zu Narrator aus Schweinfurt, die zuletzt beim Festival Mediaval 2014 im Rahmen des Wettbewerbs um den goldenen Zwerg zu hören waren. Und so gut wie sie in Selb angekommen sind, so positiv war auch der Eindruck beim Tanzt! So erzählen sie auf der Bühne von Kreaturen und Kriegern, wie auch der Titel ihrer ersten CD lautet. Nicht ohne dem benachbarten oberfränkischen Bamberg mit der launigen Bemerkung „Schrein des Grauens“ einen Song zu widmen.
Als Folk Metal Band geht es natürlich gleich zum Anfang auf der Bühne kräftig ab, da man aber auch nie Melodie und Harmonie in den Songs außer Acht lässt macht der Heavy Metal Mix mit Flöte und Dudelsack wirklich Spaß, auch wenn definitiv der Metal über den Folk siegt. Und so dürften sich besonders die Sabaton-T-Shirtträger im Publikum über die Auftaktband gefreut haben, die neben dem bereits erwähnten mit Songs wie Luna, Dein Reich, Frei wie die Friesen, den wohl stärksten Song For the Golden Throne, Stunde der Wölfe und einer Kurzversion von Blutgericht sicher viele neue Fans dazugewonnen hat. Sicher auch weil man die Lieder nicht einfach runter spielt sondern gerade Sänger Julian die Interaktion mit dem Publikum beherrscht. Ein sehr gelungener und vielversprechender Auftakt des Festivals.
Furor Gallico
Bereits beim ersten Auftritt von Furor Gallico 2012 beim Tanzt! haben die mit blauen Strichen im Gesicht geschminkten Musiker aus dem italienischen Mailand beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der hat sich nach dem Auftritt 2014 nicht nur noch mehr verstärkt, auch bei jenen die die Italiener erstmals gesehen haben, wird man neue Fans gewonnen haben. Das sind aber sicher alles Fans eines härteren Musikstils, denn ganz nach der Devise „Nur die harten kommen in den Garten“ lassen es die Italiener ganz schön krachen. Bei ihrem Celtic Folk Metal wird der Folk ziemlich klein und der Metal ziemlich groß geschrieben. Vielleicht ist dies auch ein Grund warum man die kleine Harfinistin der Band Elisabetta Rossi ziemlich abseits im Dunkeln der Bühne plaziert hat (man könnte auch sagen deplaziert), denn romantische Harfenklänge sind nicht zu hören. Dafür aber umso mehr Sänger Davide Cicalese, der sich wahrlich die Stimme aus dem Hals singt/brüllt. Man muss echt Angst haben, dass er nach dem energiegeladenen Auftritt danach überhaupt noch Pieps sagen kann. Immerhin kommt er mit seinen Gegrowle, Gebrüll und Geschrei den Kriegsschreien der Kelten wohl schon recht nah. Und so kann sich auch jemand, der damit recht wenig anfangen kann zumindest am wilden Treiben auf der Bühne zu Songs wie den Opener Cathubodva, The Gods have Returned oder to the End erfreuen. Oder als echte Herausforderung versuchen, die Texte zu verstehen, wobei hier neben Englischkenntnissen auch Italienisch hilft, denn wie z.B im Song La Caccia Morta gibt es auch Muttersprachliches in der 9 Song umfassenden Seltlist zu hören. Und wer wegen des ohrenbetäubenden Lärms ganz wie die Musiker im Gesicht blau anlief hatte genau jetzt Gelegenheit sich etwas zum Essen oder trinken zu holen oder zu einer Raucherpause ins Freie zu flüchten, was aber die wenigsten wirklich taten.
Mr. Hurley und die Pulveraffen
Richtig stark sein mussten beim nächsten Act des Tages die Metal-Fans im Publikum. Mr. Hurley und die Pulveraffen sind das schönste Kontrastprogramm zu Furor Gallico, was man sich als Konzertbesucher wünschen kann. Erholung für die zuvor durch die Lautstärke geschundenen Ohren, man könnte auch sagen E-Automotor folgt auf Formel 1 Motor. Denn bei den Pulveraffen wird die akustische Musik groß geschrieben. Da gibt’s keine E-Gitarren, kein Geschrei und Gegrowle. Dafür gibt’s ne fette Mitmach-Piratenparty und die Publikumsmeute wird ruck zuck als Piratenmannschaft rekrutiert und zum Mitmachen aktiviert. Mitsingen ist Pflicht (ob schön oder nicht ist egal), Arschwackeln erwünscht und Brustschütteln erfreulich, nicht nur für die Band sondern auch die Männer im Publikum, die gerade bei letzteren einen echten Nachteil hatten. Leider hatte man diesmal Deutschland Achterdeck Vorturnerin Nummer 1 Mrs. Ivy Cox in der Kajüte in Osnabrück lassen müssen (vergessen?) und so waren die 3 Brüder Mr. Hurley, Buckteeth Bannock und der einäugige Morgan ganz auf sich allein gestellt. Dachte man, aber schon beim Auftakt Geißel der See konnte man sich auf die Landratten im Backstage verlassen. Spätestens bei „komm zur Marine“ kochte die Stimmung so richtig hoch, beim Plankentanz war alles voll dabei und bei Ach Ja?! flogen zwischen Band und Publikumsmeute die verbalen Fetzen. Und als man sehr zur Freude des Publikums den Schrumpfkopf besungen und das Kultlied der Band Blau wie das Meer anstimmte wurde auch dem letzten klar, dass man auch als E-Auto sich selbst vor einem Formel 1 Motor nicht verstecken muss. Welch ein Auftritt, welch eine Stimmung, welch coole Band, diese 3 Meeres-Daltons aus Osnabrück. Schwer vorstellbar, dass man es mal nicht schafft, die Menge mitzureisen, aber auch dies ist ihnen tatsächlich schon einmal passiert, bei einem Auftritt vor Heino, dessen Publikum konnte im Gegensatz zum Tanzt! Publikum den Treiben auf der Bühne wenig abgewinnen und hatten auch keine Lust sich von Luv nach Lee zu bewegen. München dafür umso mehr, egal ob in Nordbayern beim Festival Mediaval, in der Mitte Bayerns beim Feuertanz oder jetzt im Süden beim Tanzt!, die Bayern lieben ihre Pulveraffen und das völlig zurecht.
Nachtgeschrei
Mit Nachtgeschrei folgte gleich das nächste Highlight des Tages. Die Frankfurter Band ist immer einen Besuch wert und hat mit neuem Sänger Martin Le Mar, der aber auch schon seit 2 Jahren dabei ist eher noch gewonnen. Man ist jedesmal aufs neue fasziniert von seiner Leidenschaft und stimmlichen Urgewalt und auch die Rampensau zu geben schafft er problemlos.
Er hat auf der Bühne alle Zügel in der Hand und kann sich auf seine großartigen Mitmusiker voll verlassen. Und so ist auch dieser Auftritt mit den ersten 5 Songs Sirene, An mein Ende, Geister, Der Ruf und Niob schon sehr überzeugend. Mit Na Sdorowje und Meister setzte man dann noch eins drauf. Und still war das Publikum auch bei Windstill, dem letzten Song des Sets keineswegs. Ganz im Gegenteil, Nachtgeschrei hatten auch in Bayern ein Heimspiel, die Folkmetal- Mittelalterrockmischung machte auch dem Tanzt! Publikum mächtig Spaß und die Band ist für jedes Festival Line Up ein Gewinn. Leider muss man Ende des Jahres Drehleier und Quetschenmann Joe ziehen lassen, den es ans Ende der Welt zieht und der sowohl musikalisch, wie auch mit seiner Bühnenpräsenz eine Lücke hinterlassen wird, vom Menschlichen ganz zu schweigen, was letztlich nur die Band beurteilen kann. Und so hatte das Tanzt! Publikum eines seiner letzten Auftritte miterleben dürfen, aber man kann absolut sicher sein, dass auch daran die Band nicht zerbricht, sondern 2015 mit neuen Plänen, neuer CD und einem neuen Musiker/in genauso beeindruckend ihr Publikum fesseln kann, wie beim Tanzt! In diesem Jahr.
Einen Vorgeschmack gab schon einmal der neue Song „Das Nichts“, der großartig ankam und mächtig Lust auf die neue CD machte.
Dalriada und Fajkusz
Dalriada kennt man als Tanzt! Besucher vom letzten Jahr. Die Ungarn haben sich diesmal Verstärkung mitgebracht, die Landsleute der Fajkusz Band die mit ihren Streichinstrumenten gegen die Macht von Schlagzeug und Gitarre aber auf ziemlich verlorenen Posten standen. Wer also gedacht hat, dass es in diesem Jahr deutlich folkiger und entspannter zugehen würde, der sah sich schnell eines besseren belehrt. So sieht also die ungarische Version einer Synthese von ungarischem Folk mit Metal aus, die in Ungarn Dalriada zu guten Chartplazierungen und fast Superstarstatus gebracht hat. Sicher auch weil sie live richtig Gas geben und mit der weiblichen Stimme Laura Binder ein Energiebündel am Start haben, das mit ihren fliegenden Haaren und viel Action es perfekt versteht das Publikum mitzunehmen. Und das ist in München mit den rein ungarisch gesungenen Songs nicht ganz so einfach. Doch mit Unterstützung von Sänger Andras Ficzek klappt das ganz gut, wobei man auch die deutschen Ansagen hier sehr positiv herausstellen muss. Eigentlich schade, dass sich die Band 2013 nicht für den Eurovision Song Contest im ungarischen Vorentscheid durchsetzen konnte, die metaltypisch lauten Ungarn hätten der etwas spießigen Veranstaltung sicher richtig gut getan.
Und das sicher bei einem weit besseren Bühnenlicht, als ihnen der Backstage Lichtmann an diesem Abend gönnte. Und so litt der Auftritt der Ungarn sowohl daran, wie auch, dass die Mischung zwischen Dalriada und Fajkusz einfach nicht so recht zünden wollte und der Auftritt deutlich weniger überzeugend, als 2013 ausfiel.
Vroudenspil
Für die Vroudenspil-Fans unter den Tanzt! Besuchern war das Vroudenspil Konzert der klare Höhepunkt des Tages, kein Wunder sind die Tanzt!-Hausband und ihr Freibeuter-Folk auch die perfekte Stimmungsmugge um jede mehr oder weniger feuchtfröhlichen Party musikalisch zu bereichern und jedem noch so tanzfaulen Gesellen den Stock aus dem Po zu ziehen. Ein Spruch dem man ja gerne Musikern die in der Klassik verwurzelt sind, nachsagt. Und mit Zora hat man genau so ein mysteriöses Wesen dazubekommen, das sich inzwischen neben der E-Musik auch mal in der U-Musik versucht. Und die jegliches Stock-Vorurteil Lügen straft. Sie ist ein echter Gewinn für die Meute und das nicht nur musikalisch. Auch als Hingucker für die Männerwelt ist sowohl die linke, wie auch rechte Seite der Bühne wieder bestens besetzt und dazwischen dürfen sich dann die Jungs austoben. Es wird wirklich Zeit, dass man auf der Bandeigenen Homepage endlich auch Zora als vollwertiges Mitglied vorstellt, vorausgesetzt man findet endlich das Rumfass, in das sich der Webmaster verkrochen hat, wieder. Und nachdem zumindest optisch auch die diversen körperlichen und sonstigen Schäden einiger Bandmitglieder, wie z.B. eine am Stock (neumodisch Krücke genannt) gehende Phyra scheinbar der Vergangenheit angehören, waren die Bedingungen bestens um vor den versammelten ehemaligen Musikerkollegen, Fans, Freunden und Familienangehörigen eine Party zu feiern die sich gewaschen hat. Und das Tanzt! Publikum ließ sich gerne kapern, feierte stimmgewaltig und sang und gröhlte sich durchs Programm, das mit Songs wie Tanzt! auch genug Gelegenheiten dazu bot.
Dahoam ist Dahoam und analog der seit 2007 ausgestrahlten gleichnamigen Erfolgsserie des Bayererischen Rundfunks wird es nach solch furiosen Auftritten wie diesem auch in der Zukunft jeder Headliner nach Vroudenspil schwer haben und die Münchner im Line Up des Tanzt! auch die nächsten 100 Jahre einen Platz haben müssen. Chapeu.
Letzte Instanz
Kein leichtes Unterfangen war es nach einem ganzen Tag warten im Backstage um 23.00 nach einem furiosem Vroudenspil-Auftritt die Menge erneut mitzunehmen. Schwer fiel das Holly und Co trotzdem nicht. Auch wenn die Brachial Romantik der Band weit von der Feier-, Trink- und Partymugge weg ist, die sich der eine oder andere Besucher als Headliner gewünscht hätte. Das Leben besteht einfach nicht nur aus Party und so war es wirklich wohltuend, dass man auch einmal verbal nachdenklichere Töne anschlug. Beeindruckend war auch, mit welcher Leidenschaft die Bandmitglieder zu Werke gingen und wirklich alles gaben, wie Holly am Ende auch betonte. Eine Leidenschaft, die auch hätte ganz dumm ausgehen können, als der Sänger auf dem Gitter stehend aus dem Gleichgewicht kam und ein aufmerksamer Security beim Absturz glücklicherweise schlimmeres verhinderte. Was Holly aber nicht daran hinderte gleich wieder das wackelige Gitter hochzuklettern und weiter zu singen.
Besonders bemerkenswert neben der Leidenschaft der Band war auch das Bühnenlicht. Und so rieben sich nach fast 6 Stunden nicht wenige die Augen, wieso dem Backstage auf einmal ein Licht aufgegangen ist. Das war allerdings der alleinige Verdienst eines Bandeigenen motivierten Lichtmannes, der seinem Kollegen und dem Publikum eindrucksvoll vorführte, wie eine gute Lichtshow ausschauen kann und dass dadurch das Live-Musikerlebnis noch viel schöner wird. Es macht einfach auch Spaß einmal die Musiker, sowie Mimik und Gestik zu sehen und dies nicht nur in Reihe eins, was z.B, beim Auftritt der Pulveraffen selbst da kaum möglich war. Trotzdem bleibt festzustellen, dass das Licht des Bachstage- Lichtmannes geringfügig besser als 2013 war, was aber nicht zwangsläufig als Lob für diesen verstanden werden soll.
Dererlei Probleme sind der Letzten Instanz fremd, sie werden immer bestens in Szene gesetzt und so ist nicht nur musikalisch sondern auch optisch jeder der Bandmitglieder ein essentieller Bestandteil einer Show, die dem Publikum und der Band sichtlich Spaß machte und einen würdigen Abschluss eines tollen Festivaltages darstellte. Und so kann man sich schon jetzt auf 2015 freuen, dann vermutlich in einer neuen Location und vielleicht auch mit besererer Bühnenbeleuchtung, auf die die Veranstalter des Tanzt! ja leider keinen Einfluss haben. Umso mehr auf die Gestaltung des Lineup, und das wird auch 2015 sicher hochkarätig sein und schon jetzt den Kauf der Early Bird Tickets zum Schnäppchenpreis rechtfertigen.
Bernd Sonntag