Wenn man bei Wikipedia unter Unplugged nachschaut, findet man erstaunlich wenig darüber. Immerhin ist zu lesen dass es sich bei Unplugged um die „Akustikversion von Musik, die ursprünglich mit Hilfe elektronischer Veränderungen produziert wurde und nun nur auf akustischen Instrumenten gespielt wird“ handelt. Es wird also bei Unplugged der Stecker gezogen, üblicherweise aber nicht aus dem Mikrofon. Noch wesentlich radikaler gehen allerdings Dunkelschön mit dem Begriff unplugged um. Denn bei ihnen wird auch aus dem Mikrofon der Stecker gezogen, sprich es gibt gar keine Mikrofone. Das habe ich so auch noch nie erlebt. Ein ganzes Konzert völlig ohne Mikros und das in einer alten Kirche, deren beeindruckende Größe vor dem Konzert mich schon fragen lässt, ob das gut gehen kann. Kann man sich bei der kraftvollen Stimme von Vanessa ja noch gut vorstellen, aber der wesentlich leiser singende Michael Kaiser und die ganze Band ohne Mikro?
Es geht gut, und wie. Davon zeugt auch der langanhaltende Applaus des begeisterten Publikums, die die Band am Ende gnadenlos feierten. Sicher auch für den Mut, ein solch außergewöhnliches Konzerterlebnis Jahr für Jahr in Schonungen abzuhalten.
Dass es überhaupt funktioniert ist aber vor allem dem Publikum zu verdanken, ein so aufmerksames und gespannt lauschendes Publikum hat man selten und selbst die Jüngsten im Publikum machen da keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil, als ein kleiner Junge begeistert ein Lied mitsang und kurzerhand den Refrain übernahm, weil Vanessa für seinen Geschmack etwas zu langsam war, lachte die ganze Kirche und Vanessa wollte den Kleinen gleich zum mitsingen mit auf die Bühne holen. Das war ihm dann aber doch nicht ganz geheuer. Aber allein dieser kleine Vorfall zeigt deutlich, was den Reiz eines Dunkelschön-Konzertes auch ausmacht, die herrliche Spontanität, ansteckende Fröhlichkeit und Freude mit der man auf der Bühne steht, allen voran die Frau in Blond am Mikrofon.
Die Konzerte in der alten Kirche Schonungen sind wirklich legendär, gekauft werden die Eintrittskarten direkt bei Dunkelschön , meist schon viele Monate zuvor. Und wenn dann die Tore der Kirche sich öffnen und die Menschen hereinströmen, werden sie von den 2 Damen der Band Vanessa Istvan und Monika Klöpfel begrüßt und ihnen die Platzkarten ausgehändigt. Das ist genauso ungewöhnlich bei einem Konzert, wie ein mit dem eigenen Namen beschrifteter Sitzplatz und es untersteicht die Einmaligkeit des Auftrittes in Schonungen. Und so ganz nebenbei funktionieren die Eintrittskarten noch ganz toll als Liedblatt, Gänsehautstimmung am Ende als die „ganze Kirche“ begeistert mitsingt.
Als pünktlich um 20:00 das Konzert losging und Vanessa Istvan einige Überraschungen ankündigte, lauschte ein aufmerksames Publikum von den ersten Harfen, Gitarren und Celloklängen an aufmerksam und gespannt darauf, was die Truppe sich für den Abend so ausgedacht hatte.
Vielen Dunkelschön-Kennern wird sicher schon zu Beginn aufgefallen sein, dass 2 neue Musiker die Bühne bereichern. Denn berufsbedingt mussten Gitarrist Nicolas von Stolzmann und Schlagzeuger Andre Straub ersetzt werden. Wobei Ersatz sicher das falsche Wort ist, die beiden Neuen bereichern auf ihre Art die Musik der Band. Das wurde schon beim ersten Auftritt überdeutlich.
Auch wenn gerade Schlagzeuger Lukas Stumpf unplugged wenig Möglichkeiten hatte, wirklich zu zeigen was in ihm steckt. Man kann wirklich gespannt sein, wenn der „Metal-Schlagzeuger“ eingestöpselt sein Schlagzeug mal so richtig bearbeiten darf. Und dass „Heavy-Metal-Schlagzeuger“ den Sound einer Band extrem gut tun ist durch Simon Michael von Subway to Sally ja hinlänglich bekannt. Mit 19 Jahren drückt Lukas den Schnitt der Band gewaltig nach unten, wie Vanessa bei der Vorstellung eines der größten Schlagzeugtalente Deutschlands lachend bemerkte.
Leichter hatte es da schon der neue Gitarrist der Band Jan Jansohn (All will know, Adorned Brood), der optisch ein bißchen wie der kleine Bruder von Bassist Bernie Horn ausschaut. Das war sicher kein Einstellungskriterium, eher schon das versierte Gitarrenspiel, dass er zum Dunkelschön Sound beisteuerte. Die dritte personelle Überraschung war Gabi Koss, die als Gastsängerin den Abend zusätzlich zu etwas ganz besonderem machte. 6 Jahre Sängerin bei Haggard, eine der Stimmen von Equilibrium und nun am neuesten Musikprojekt für alte Musik der Renaissance und des Barack Cantus Lunaris arbeitend ist die Sopran-Sängerin eine extrem spannende musikalische Entdeckung an diesem Abend. Auch weil sie über eine gewaltige Stimmrange verfügt und beim einen oder anderen Lied auch schon mal wesentlich tiefere Klänge beisteuern kann. Wie mag das nur klingen, wenn Dunkelschön eingestöpselt einmal mit ihr auftreten? Schön, dass man ihr auch Gelegenheit gab, mit Cellounterstützung der großartigen Monika Klöpfel ganz allein ein Lied zu performen, wunderschön passend zum Motto des Abends „Es ist ein Schnee gefallen-mittelalterliche Klänge zur Winterzeit“. Nicht umsonst hat man das Cello in die Mitte der Bühne plaziert, ist die bildhübsche Cellistin und ihr großartiges Cellospiel nicht nur unplugged ein zentrales musikalisches Element im Bandgefüge. Und dass sie auch richtig toll singen kann ist nicht erst seit Schonungen 2013 bekannt.
Das Repertoire an diesem Abend war zweigeteilt. Angefangen mit Aeris über Dornenreich, es ist ein Schnee gefallen bis zu den ganz ungewöhnlichen Klängen von Petruschka wurden die Leute in die Pause entlassen, die jeder zum Plausch mit der Band nutzen konnte oder um sich zu stäken, auch daran hatte man gedacht. Mit Bacchus, über Zauberwort und Spielmann ging es dann genauso stimmungsvoll weiter wie schon vor der Pause bis nach 20 Liedern Vanessa eine weitere Überraschung ankündigte, nämlich ausnahmsweise keine Zugabe. Das war natürlich nur Spaß, ein Dunkelschönkonzert ohne Liebster ging auch gar nicht und als nach Ai vis lo lop alle Lichter in der Kiche ausgingen und nur von den Kerzen erleuchtet „Ein letztes Mal“ angestimmt wurde war das Ende eines unvergesslichen Konzertabends gekommen. Leider muss man sagen, der Abend mit der spielfreudigen Band die auch mit den 2 Neuen im Team nichts an ihrem Reiz verloren hat verging einfach wie im Flug. Und danach war natürlich noch lange nicht Schluß, nun war fleißig Autogrammeschreiben angesagt. Egal ob Davulspieler Chrsitian Wittkopf oder Bandchef Michael Kaiser, jeder nahm sich gerne Zeit für die Besucher und so ging der Konzertabend genauso persönlich zu Ende wie er um kurz nach 19:00 mit dem Einlass angefangen hatte. Und alle die auch einmal Lust haben Dunkelschön extrem reduziert und musikalisch intim zu erleben, wie sonst nie auf Tour sollte sich schon jetzt um Karten für 2014 bemühen. Denn Schonungen ist immer eine Reise wert, auch wegen der perfekten Location für einen Unplugged-Gig. Alle Oberfranken sollten sich übrigens schon jetzt den 13. April in den Kalender dick anstreichen, dann kann man sie akustisch in Hof erleben.
Bernd Sonntag