Cardillac Complex Forgotten Reasons und Interview

Mit Forgotten Reasons von Cardillac Complex hat uns im Mai eine EP einer uns bisher unbekannten Band erreicht, die uns so gut gefallen hat, dass wir es nicht nur Wert finden, ein paar Worte darüber zu verlieren, sondern es uns auch brennend interessiert hat, wer sich eigentlich hinter Cardillac Complex verbirgt. In einem kleinen Interview mit Sänger Ole könnt auch Ihr etwas mehr über Cardillac Complex erfahren.

Zuerst aber ein paar Worte zur EP, die aus 5 sehr abwechslungsreichen Songs besteht. Bereits die ersten Klänge des Titelsongs gehen sofort ins Ohr. In Englisch gesungen entfalten die düsteren Songs eine durchaus hörenswerte Stimmung. Die Songs sind musikalisch abwechslungsreich von melancholisch ruhig bis ziemlich rockig instrumentiert. Die Band versteht es zweifellos Songs zu schreiben, die ins Ohr gehen. Sowohl Gothic Liebhaber, wie auch Verehrer des Darkrocks könnte Cardillac Complex gefallen, vor allem wenn man mehr die ruhigeren Töne schätzt.

Einziger Schwachpunkt und völlig aus der Art geschlagen ist das einzige in Deutsch gesungene Stück „Der Weg“, das sprachlich, und musikalisch nicht so wirklich zum Rest der englisch gesungenenen EP passen will. Dass es extrem reizvoll sein kann mit Deutsch und Englisch zu operieren, können Blutengel immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Hier ist der Versuch, auch wegen der anderen Stimmfarbe des Sängers als eher unglücklich zu bezeichnen. Dafür folgt gleich darauf mit dem letzten Song des Albums das 7 Minuten Werk Belief 2, das absolute Highlight der EP:

Eine dunkle, fast symphonische Ballade die von Gewitterstimmen über Akustikparts und orchestralen Elementen so richtig Spaß und Lust auf mehr von Cardillac Complex macht.
Lassen wir nun die Band selbst zu Wort kommen:

Ihr habt Ende April mit Forgotten Reasons euere erste EP veröffentlicht. Seit 2010 gibt es Cardillac Complex aber schon. Trotzdem kam erst jetzt die erste EP raus. Ein Vorbote für das demnächt erscheinende Album?

Ole: Erst jetzt? Machst du jedem One-Night-Stand gleich einen Heiratsantrag?

Jede Beziehung (auch die musikalische) will erst auf ein solides Fundament gestellt werden, bevor man den nächsten Schritt geht – es sei denn, man wurde im Rahmen einer großen TV-Show gecastet. Ganz nebenbei braucht man ja auch genügend Songs, aus denen man wiederum ein paar auswählt usw.

Hinzu kommt: Musik ist für uns eine Leidenschaft, aber eben kein Beruf. Daher ist das Zeitfenster zwischen Jobs, Studium und (außermusikalischem) Privatleben recht überschaubar. Vor allem, wenn man sich in den Kopf gestetzt hat, den ganzen Aufnahmeprozess selbst zu machen. Wir hatten zwar viele Freunde und Bekannte, die uns mit Rat, Räumen und Ragouts zur
Seite standen, aber die schweißtreibende Arbeit haben wir doch höchstselbst ausgeführt.

Erst beim beim Cover haben wir uns an (wiederum befreundete) Profis gewandt. Nennenswerte Kosten sind uns erst
bei Mix, Mastering und Pressung entstanden. Als „Forgotten Reasons“ dann schlussendlich im Kasten war, war bei uns erstmal die Luft raus. Aber in der Zwischenzeit sind einige neue Songs entstanden und so langsam bekommen wir auch wieder Lust, ein Vollzeit-Album aufzunehmen.

Die EP enthält vier englische Songs und ein deutsches Stück, das auch musikalisch ziemlich von dem Rest der Songs abweicht. Wie kam es dazu den Song in Deutsch aufzunehmen und war das ein einmaliges Experiment
oder wird es in Zukunft Cardillac Complex als deutsches und englisches Projekt geben?
Ole: Mit Sicherheit war „Der Weg“ zunächst ein Experiment. Schließlich hatte ich vorher noch keine deutschen Texte geschrieben, geschweige denn: zu einem Song verarbeitet. Meist ist bei mir die Musik zuerst da, danach kommt erst der Text. So auch im Fall „Der Weg“. Nur mit dem Unterschied, dass die ersten Worte, die mir in den Sinn kamen, deutsch statt englisch waren. Das war zwar neu, hing aber ohne Zweifel mit meiner damaligen Situation zusammen.

Andererseits: Warum sollte ich gegen diesen Impuls arbeiten? Schließlich geht es beim Musikmachen (zumindest nach meinem Verständnis) zunächst einmal um den künstlerischen Ausdruck, und dann erst ums „Verkaufen“. Es ist zwar eine Heidenarbeit, aber das Ergebnis dieses „Experiments“ finde ich ganz gelungen. Daher ist es zukünftig sicherlich nicht ausgeschlossen, auch in Deutsch zu texten.

Kannst Du uns etwas über die Bandmitglieder erzählen? Da ihr bisher ja vor allem im Raum Münster aufgetreten seid, hat man in weiten Teilen Deutschlands von Cardillac Complex ja bisher fast nichts gehört.

Ole: Gern.Tobias Ide spielt E-Gitarre und singt, Matthias Teuber spielt Bass und singt, Ole Arntz singt und spielt Akustik-Gitarre, Alexander van Stein spielt Keyboards und Christoph Schmidt spielt Schlagzeug. Prägt Euch die Namen gut ein, die kommen in der nächsten Klassenarbeit dran.

Habt ihr musikalische Einflüsse und Vorbilder, haben Euch Bands besonders inspiriert zu den Songs der EP?
Ole: Die musikalischen Vorbilder über die gesamte Band verteilt sind natürlich breit gefächert. Da bislang alle Songs entweder von Alex oder mir stammen, kommen naturgemöäßEinflüsse aus Gothic, Rock und Metal zum Tragen. Das können HIM, Dreadful Shadows / Zeraphine und The Mission genauso sein wie Paradise Lost, Anathema oder Katatonia.

Beim Anhören des Albums fiel mir auf, dass die einzelnen Songs sehr unterschiedlich sind, von ruhig bis hart, von balladesk bis rockig. Irgendwie von allem etwas. Bezeichnet ihr Eure Musik deshalb als „Dark Glam Rock“ bzw. was versteht ihr darunter?

Ole: Gut erkannt. Die Vielfalt ist bei uns nicht nur Programm, sondern volle Absicht. Das Leben ist schließlich zu bunt, um immer nur als Fledermaus durch die Welt zu flattern. Wo Schatten ist, muss es auch Licht geben. Je tiefer die Nacht, desto näher der Tag. Genauso verhält es sich mit unseren musikalischen Vorlieben: Selbstverständlich finden sich in unseren CD-Regalen mehr Abteilungen als „Gothic“ und „Metal“. Daher haben wir das Spiel mit Glanz und Finsternis in die Genre-Bezeichnung aufgenommen.

Beim ersten flüchtigen Lesen hab ich Eueren Namen als Cadillac Complex gelesen. Habt ihr keine Angst, dass viele das R überlesen? Wie ist der Name Cardillac entstanden?

Ole: Der Name bezieht sich auf René Cardillac, eine Figur aus dem „Fräulein von Scuderi“ von E.T.A. Hoffmann. Einen Goldschmied, der seine Kunstwerke zuerst verkauft, und sie sich später zurückholt, indem er seine Kunden umlegt. Die Novelle spielt im feudalen Frankreich des 17. Jahrhunderts. Daher spricht man den guten Mann auch „kardiak“ aus.

Allerdings war uns das mögliche Missverständnis von Anfang an bewusst. Wir haben zwar mit amerikanischen Edel-Schlitten persönlich wenig bis gar nichts am Hut, aber es gibt schlimmere Assoziationen, oder?

Außerdem: Wer uns gut findet und zu unseren Konzerten kommt, darf uns aussprechen, wie er will.

Ihr habt ja schon einige Konzerte gespielt. Mit fünf Songs ist das ja nicht denkbar. Was spielt ihr außer den fünf EP-Songs sonst noch?

Ole: Das hast du ganz richtig erkannt. Wir spielen die Stücke der „Forgotten Reasons“-EP, aber auch ältere und neuere Songs. Damit kommen wir zurzeit auf circa 90 Minuten. Du willst wissen, wie das klingt? Komm doch zum nächsten Konzert, dann weißt du’s. Aktuelle Termine, Musik, Bilder und News: www.cardillac-complex.com.

Wird man Euch demnächst auch deutschlandweit hören können, eventuell auch als Toursupport für eine Band?

Ole: Nichts dagegen. Geplant ist bislang zwar nichts, aber wenn sich jemand die Arbeit machen will, eine Tour zu planen bzw. uns unter seine organisatorischen Fittiche zu nehmen, werden wir sicherlich nicht nein sagen.

Cardillac Complex ist absolut independent. Es gab keine Plattenfirma im Hintergrund, oder?

Ole: Nein, absolut null. Alles selbst geklöppelt und handgestrickt. Vom Songwriting bis zum Vertrieb. Die Rolle der Labels im Musikgeschäft ist seit den 2000er Jahren ohnehin immer fraglicher geworden. Außerdem werden Technik und Infrastruktur für Musiker immer erschwinglicher und jederzeit verfügbar. Dadurch können (und müssen) Musiker heutzutage immer mehr können als „nur“ Musik zu machen. Ob das immer nur gut ist, wissen wir zwar auch nicht immer so genau, aber anstatt uns darüber zu totzugrübeln, machen wir einfach, was wir für richtig halten.

Gibt es sonst noch etwas was man über Cardillac Complex unbedingt wissen sollte? Dann verrate uns das doch bitte.

Ole: Alles, was es über uns zu wissen gibt, ist bereits gesagt oder gibt es bereits online zu lesen. Über die mysteriösen Riten im Backstage oder unsere regen Beziehungen zum Mossad und der NSA schweigen wir aber lieber. Schließlich gehürt eine nebulöse Aura zum Rockstar-Image dazu…

Vielen Dank für das Interview und wir werden Euch sicher live demnächst mal bei einem Konzert besuchen und sind schon sehr gespannt darauf.

Bernd Sonntag