1. Nach eurem genialen Album Side Scan nun die erste EP „Hope and Veneration“. Das warten auf neues Material dauerte nicht lange – warum?
Ich bin jetzt so richtig im Songwriting aufgeblüht und mache täglich nichts anderes mehr *hehe*. Ne im Ernst: Da hängt echt noch ein riesen Rattenschwanz anderer Sachen mit dran. Ich hatte schon Enwürfe von Tracks, die ich für „Side Scan“ nicht mehr verwenden wollte. Klasse Songs, die aber einfach einen neuen Stil ans Tageslicht brachten. Zwar unbewusst, dennoch aber war dies ganz klar zu hören. Dann hatte ich mich mit meinem Label nach dem großen Erfolg von „Side Scan“ committed, einfach noch ein paar neue Songs zu schreiben und eben nur das beste davon zu produzieren und in einer separaten EP zu veröffentlichen. Ausserdem sind da noch der eine oder andere Live Gig – Eine größere Auswahlmöglichkeit an Songs ist nie verkehrt *gg*.
Für die EP war ich auch mit Martin im Studio und wir haben die Bude mal richtig gerockt. Die EP wird aus meiner Sicht rein technisch noch mal einen Meilenstein setzen, ich habe mit der Produktion zu „Side Scan“ meine Erfahrungen erweitert und kann diese nun verwerten. Etwas, was der Musik an sich stark zuträglich sein wird.
2. Deine neuen Stücke kommen irgendwie rockiger und an manchen Stellen auch frisch und frecher rüber. Ist dies eine bewusst eingeschlagene Richtung?
Hmmm, bewusst sicherlich nicht. Das hat sich so ergeben. Natürlich habe ich mit dem Minialbum so einiges verarbeitet. „Hope And Veneration“ beschäftigt sich mit Dogmen, die keine sein sollten, respektlosem Umgang mit der Schöpfung und Schwächeren. Ich sage dazu auch, es ist sadistische Sodomie was teilweise auf diesem Planeten geschieht. Und nur weil es keiner wahrhaben will oder manche Leute offenbar nicht können, wird’s auch nicht besser wenn man wegschaut oder mit der vermeintlichen Ausrede, dass man ja sooo beschäftigt sei oder man könne ja nicht anders. Ich habe auch sehr viel zu tun und kann das sehr wohl! Das Ganze ist jetzt wieder topaktuell, wenn du Dir die Sauerei ansiehst, was ein Ölkonzern aus Gier alles anrichten kann. Oder auch was die Kirchen anbelangt, wie und weshalb Sie zum Teil – zurecht -erheblich unter Druck stehen. Päderasten sollten einfach nicht länger die Verkünder des Ziels der Menschheit sein und nebenbei die Heuchelei in 10 Geboten predigen, die man eigentlich die „10 Verbote“ nennen sollte. Ich weiß das hört sich krass an, aber irgendwann gehst du dazu über – weg vom Schein.
Aber immer sollte man sich damit nicht beschäftigen. Nur manchmal eben, dazu ist das Leben zu kostbar.
3. Sind in naher Zukunft weitere Remix-Arbeiten geplant? Oder konzentrierst du dich zur Zeit voll und ganz auf dein anstehendes Release?
Auf „Hope And Veneration“ wird es wieder ein paar nette Remixe geben. Allerdings diesmal nicht von mir selbst. Für Herbst haben wir dann noch eine Lyronian Sonderedition zum Release angedacht, die dann nette Gimmicks wie einen unveröffentlichten Track, einen Lyronian USB-Stick, handsignierte Postkarten und ähnliches beinhalten wird.
4. In Eurem Sound bezieht Ihr Euch hörbar auf die 80er Jahre. Was macht dieses Dekade so attraktiv, dass so viele Synthie-Bands auch heute noch offenbar so klingen wollen wie Depeche Mode?
Hmm, sehe ich nicht so, dass sich Lyronian auf die 80er bezieht. Vielleicht macht es hald auf das erste Hinhören den Eindruck, weil man mit ähnlichen Instrumenten arbeitet und verhältnismäßig ähnliche Gefühle zum Ausdruck bringt. Es ist doch super, wenn Musiker in unserer heutigen Musiklandschaft noch oder wieder ähnliches ausdrücken als damals. Die 80er waren eine Zeit des Umbruchs. Heute wollen das nur mehr viele nicht mehr war haben, dass da sehr viele parallelen zur heutigen Zeit sind, nur mit dem Unterschied, dass die Ausmaße deutlich mehr Einschnitte ans Tageslicht bringen werden.
Aber zurück zur Musik: Hope And Veneration klingt doch deutlich akkustischer als die reinen Synthprojekte, oder? Aber jeder empfindet das anders. Ich habe keine Ahnung wieso Bands so klingen wollen wie Depeche Mode. Ich will das auch niemanden unterstellen. Vielleicht kommt es Ihnen hald auch so raus?!?!? Für meinen Teil kann ich sagen, dass Lyronian nicht so klingt wie DM. Ich bin nicht mal Fan, obschon ich natürlich das Eine oder Andere Album gut finde. Insgesamt ist es natürlich schwierig, das Rad neu zu erfinden. Alles war schon einmal da. Wenn ich heute Gitarrenmusik mache will ich ja auch nicht unbedingt mit einer von zig-Rock oder Metalbands in die gleiche Tüte gesteckt werden. Was das Thema DM angeht muss ich hier nochmal ganz klar – und auch in Anbetracht der immer wieder von Anderen gezogenen parallelen zu unserem Sound -zum Ausdruck bringen: DM machen Synthie Musik mit Gitarren und Gesang. Wir auch. Die Songs sind viel in Moll und die Stimme bariton. Meine auch. Da hat man erst mal wenig Variationsmöglichkeiten, wenn man das so sieht. Aber ich schreibe meine Songs, so wie sie „aus mir herauskommen“. Das macht sie eigenständig. Vielleicht fühlen und denken Gahan und Gore auch ähnlich. Könnte auch vieles erklären… Wäre ich vierzig Jahre älter und hätte in den 70ern Musik gemacht würden sich vermutlich nur die Synthies anders anhören *gg*
5. Was ist in Zukunft bei euch in Planung? Arbeitest du an einem Album oder ist gar eine Tournee in Planung?
Das bisher da gewesene hat mich natürlich stark motiviert weiterzumachen. Das viele Lob zur Musik , dem ganzen Drumherum, ja und auch den einen oder anderen Fanbrief der mich erreicht hat. Aus heutiger Sicht will ich auf jeden Fall einen Longplayer veröffentlichen, aber das ist jetzt erst mal Zukunftsmusik. Zunächst hat man ja schon sehr viel mit der aktuellen EP, der Produktion, Labelarbeiten mit Prussia/Deep Symmetry, den Livevorbereitungen und natürlich auch noch anderen Dingen zu tun. Man glaubt gar nicht, was da neben der „eigentlichen Musik“ noch alles mit dran hängt. Momentan beschränkt sich meine Freizeit also sozusagen auf den Schlaf. Ich hoffe, dass es im Sommer wieder ruhiger wird….
Eine klassische Tournee ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant. Dies ist schon allein aus zeitlichen Gründen meinerseits und meiner Live-Musiker nicht möglich. Wir wollen uns auf wenig ausgewählte Gigs konzentrieren, wo auch jeder die Möglichkeit hat zu kommen. Aktuell haben wir nur zum WGT 2010 in Leipzig sowie dem RGT Festival im Juni in Regensburg zugesagt. Mal sehen, was wir danach noch machen wollen und können
6. Wird es Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern geben?
Ich bin schon offen für etwas spannendes. Vor allem wenn mir der Stil des Gegenüberliegenden gefällt. Hier sind immer nette Kreuzkombinationen möglich, die eine ganz neue Art von Musik ans Tageslicht bringt. Und was gibt es besseres als Vereinigung zwei interessanter Individuen? *gg*
Wir arbeiten für die EP mit den Labelkollegen Distain und The Eternal Afflict zusammen ebenso noch mit einem Dritten Künstler.
Was dann in der Zukunft ansteht, wird sich zeigen. Ich bin jedenfalls für alles offen was mir gefällt und wozu ich Zeit finden kann.
7. Kauft Ihr selbst noch Originale oder loadet Ihr selbst auch down?
Downloaden klar, aber nur legal. Wenn mich eine Band und deren Alben oder Songs länger beschäftigen kaufe ich mir immer die physische CD. Ich liebe es das Artwork in der Hand zu halten, die Texte von Papier zu lesen und es macht mir Spaß eine CD aus dem Regal zu nehmen und sie einzulegen. Wir müssen uns bewegen! Viel schnelle Dinge gehen digital, aber was wirklich gut ist, sollte man berühren. Dafü haben wir auch unseren Tastsinn. Hört sich eigenartig an, oder? Der Mensch ist gar nicht dafür ausgelegt, permanent an der Kiste zu hängen. Auch wenn ich das auch tun muss – aber eben nicht nur – die essentiellen Dinge des Lebens und Sachen die man gerne hat und gerne macht, sollte man um sich habe oder in die Hand nehmen können, wenn man will ;D
8. Der Lyronian Sound ist eindringlich und geht ins Ohr – was ist das Geheimnis?
Danke für das Kompliment. Ich freue mich immer wieder sowas zu hören. Hmmm dennoch ist dies eine schwierige Frage. Ich denke neben musikalischem Talent gehört hier noch ne große Portion Umsetzungskreativität und vor allem Biss dazu. Denn der Weg von der eigentlichen „kreativen“ Phase, also der Komposition, bis zum fertigen „Produkt“ ist ein großer Kraftakt, der konsequent durchgezogen werden muss. Auch dies erfordert großes Windungsvermögen und Hingabe. Du musst Dich da total in der Musik wieder finden und fallen lassen. Das geht nur, wenn es Dir aus dem Herz spricht. Nur so kann gepaart mit der musikalischen Seite und eigener Kreativität ein gutes Ergebnis entstehen. Du hörst, ob es aus „Dir selbst heraus“ kommt. Ein Instrument spielen kann man lernen. Musizieren kann man lernen. Gute Songs schreiben, meiner Meinung nach nicht.
Deshalb ist ja grade so wichtig, dass man sich im Leben auf das konzentriert, was man kann. Manche sind Allrounder in verschieden tiefen Ausprägungen, manche haben ausgeprägtes Fachwissen, andere wiederum haben Talente. Der idealfall ist alles davon zu haben und auf eine Karte zu setzen. Leider nutzen die Menschen heutzutage ihre Stärken meist nicht wirklich, sie leben das Korsett was ihnen andere auferlegen weshalb sie immer auf der Suche sind und sein werden. Und das gilt fast für alle Bereiche und Berufsfelder.
8.2. Deine Stimme erinnert mich stellenweise an Wolfsheim oder die guten alten Sachen von Apoptygma Berzerk. Woher kommt der Charme in deinem Gesang bzw. wie kann man eine solch exzellente Gesangsstimme haben?
Meine Stimme ist so wie sie ist, es gibt deutlich bessere Sänger als mich *gg* Wichtig ist nur, dass man das sagt, wie man es sagen will – wie man es fühlt, dann ist man ehrlich zu sich selbst und es muss demnach authentisch klingen.
9. Wie wichtig ist euch das Umfeld des Internets in Bezug auf eure Musik?
Das Internet ist als Kommunikationsmittel für Musiker und Künstler wichtig. Also in erster Linie für eine zeitnahe Informationsverbreibung und eine grobe Darbietung dessen, was man „vorzuzeigen“ hat. Auch dafür, um mal einen Kontakt herzustellen oder zu kommunizieren ist es recht hilfreich. Man sollte es dennoch nicht überbewerten, weil man dort vor lauter Masse an Daten kaum noch einen Überblick hat. Alles was es im Internet gibt, gab es schon längst davor und da war auch nichts schlechter. Eine CD mit Booklet, einen Interviewtext in einer Zeitschrift usw.. Nur heute würde es als schlechter empfunden, wenn es plötzlich nicht mehr da wäre. Man hat sich vorsichtig ausgedrückt daran gewöhnt.
Das Internet hat klar viele Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Für uns hat es dennoch eher eine unterstützende Funktion.
10. Ihr hattet mit „Life Is A Show“ einen Szene-Hit, ihr wurdet 2009 zum „Newcomer des Jahres“ gekürt. Baut sowas Erwartungsdruck auf?
Ole, eigentlich nicht. Hinter meiner Musik steht kein Majorlabel, welches mich diktiert. Und wenn mich jemand pissakt, tue ich gleiches oder gehe ..–.. Klar möchte ich die Sache voranbringen, ich tu dafür einiges und vielleicht vernachlässige ich auch, in Zeiten wie diesen, das Eine oder Andere. Ob das gut ist, sei mal dahingestellt. Für mich fühlt es sich jedenfalls gut an. Im Leben muss man sich öfter entscheiden. Die Zeit bekommst Du nicht zurück. Hört sich vielleicht komisch an, auch wenn es viel Energie abverlangt, ist es definitv eine Erfüllung. Es ist essenziell, mich in der Musik auszutoben. Und damit meine ich genau und nur das zu machen, wie ich fühle und wonach mir ist. Wenn dem nicht so wäre, gäbe es Lyronian nicht. Da bin ich zu idealistisch. Also Erwartungsdruck: Nein. „Hope And Veneration“ wird etwas Anders klingen-nicht bewusst, aber Anders. Und das ist gut so. Ein Grenzgänger im Genre, wenn man das überhaupt jetzt schon behaupten kann. Und ich freue mich drauf, alle teilhaben zu lassen. Meine Erwartungen für mich persönlich sind fast erfüllt. Vorerst. Ende Juni vermutlich zu 98 %. Und nach der Lyronian Platin Edition zu 99 %. Schließlich will ich dann wieder mal ordentlich auf den Putz hauen und die anderen Facetten des Lebens mit Bedacht genießen. Auch wenn manchmal alles nicht so einfach erscheint, aber auch dafür ist das Leben da. Um Spaß zu haben!
11. Einige Worte an unsere Leser?
Leute, hört auf Euren Bauch und Euer Herz, erst in zweiter Linie auf Euren Verstand. Der Verstand wird von Geburt an und gerade in den jungen Jahren geprägt. Man ist oft nicht „man selbst“. Klar ist es immer wichtig, eine sinnvolle und vernünftige Abwägung durchzuführen, doch manchmal sollten auch immer wiederkehrende Abläufe hinterfragt und auf Gültigkeit überprüft werden, was man da erlernt, bzw. sich „antrainiert“ hat. Seid Ihr selbst!