Sieben Jahre ist es her, dass die Norweger von Wardruna sich aufmachten, den Klang der alten nordischen Runen des älteren Futhark in ihrer Runaljod-Trilogie zu erkunden und in Musik zu verwandeln. Was 2009 mit dem Album „Gap Var Ginnunga“begann und 2013 seine Fortsetzung mit „Yggdrasil“fand, wird in diesem Herbst nun mit dem neuen, dritten Langspieler „Ragnarok“zu Ende gebracht.
Der Begriff Ragnarök bezeichnet in der nordischen Mythologie das Ende der Welt und den Untergang der Götter. Ein Untergang, der von zahleichen Katastrophen und Ungeheuern begleitet wird. Ein ziemliches Schreckensszenario also, nach dem Wardruna da ihr neues Album benannt haben. Doch auch ein logischer Titel bei einer Trilogie, die sich vorher bereits mit dem Hohelied der Edda und dem Weltenbaum Yggdrasil auseinandergesetzt hat.
Nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch knüpft „Ragnarok“an seine beiden Vorgänger an. Die zehn Lieder bieten wieder jenen unverkennbaren, einzigartigen Stil, der Wardruna seit jeher ausmacht und den kein Genrebegriff richtig zu fassen vermag. Alte Instrumente, Naturgeröusche, hypnotische Rhytmen und der norwegische und altnordische Gesang von Einar „Kvitrafn“Selvik und Lindy Fay Hella verbinden sich zu einem atmosphärischen Sound, der die Hörer schnell in seinen Bann schlägt. Dabei wiederholen sich Wardruna zum Glück nie selbst, bleiben zwar immer klar wiedererkennbar, doch entwickeln sich dennoch deutlich hörbar weiter.
So fällt auf „Ragnarok“schnell der vermehrte Einsatz skandinavischer Bronzeluren auf. Diese Jahrtausende alten Instrumente erzeugen besonders im Zusammenspiel mit den Trommelrhytmen einen energiegeladenen, regelrecht kriegerischen Klang, so zum Beispiel gleich beim Opener „Tyr“. Ein durchaus passender Klang für ein Lied, welches nach einem alten nordischen Kriegsgott benannt ist.
Eine weitere interessante Entwicklung ist der Einsatz von Kinderstimmen in den beiden Liedern „Odal“und „Wunjo“. Diese Stimmen stammen von Einars Kindern und einem norwegischen Kinderchor und fügen sich ganz wunderbar in die Musik der Band ein. Besonders „Odal“ bekommt durch sie einen unheimlich positiven, regelrecht hymnischen Klang.
Auch sonst zeigt sich das Album vielseitig: Da wäre das nicht einmal zweieinhalb Minuten lange „Pertho“, in dem die Musik hinter den Text ganz in zurücktritt oder das zweiteilige Stück „MannaR“, welches sich von anfänglichen, ruhigen Naturgeräuschen zu einem fulminanten Finale hinarbeitet, welches einem in seiner Intensität eine Gänsehaut über den Körper jagen kann. „Isa“, das es allein durch die Klangkulisse schafft, dem Hörer das Gefühl zu geben, sich in einer kalten, feuchten Höhle zu befinden oder „Raido“, das wohl eingängigste Stück, das Wardruna je geschrieben haben. Und natürlich auch „Runaljod“, das letzte Lied das Albums und gleichzeitig auch das einzige, welches sich nicht mit einer einzelnen Rune beschäftigt und einen großartigen Ausklang bietet, weil es klingt wie der dramatische Soundtrack zur rauhen, mit Mythen angefüllten, nordischen Landschaft einer längst vergangenen Zeit.
Mit „Ragnarok“ ist den Ausnahmemusikern von Wardruna der perfekte Abschluss zu ihrer Runaljod-Trilogie gelungen. Das Album ist ein kleines Meisterwerk, das die Zuhörer vom ersten Hördurchgang an fesselt und den Runen des älteren Futhark ein würdiges akustisches Denkmal setzt.
Man darf gespannt sein, welchen Themen sich Wardruna nun nach „Ragnarok“, dem Abschluss ihrer großen Trilogie widmen werden. Schließlich war auch die Ragnarök in der nordischen Mythologie nicht nur ein Ende, sondern gleichzeitig auch der Anfang einer ganz neuen Welt.
Victoria E.